Allgemein, reingezogen

Everybody’s Free. Feel Good

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Seit fast genau einem Jahr ist es den Clubs nicht mehr erlaubt ihre Türen zu öffnen.  Abgesehen von der Gefährdung vieler Existenzen, geht damit auch ein großer Verlust für viele einher. Für manche Menschen sind Clubs mehr als nur ein Ort, an dem man ein bisschen tanzt und was Leckeres trinkt. Für Manche sind Clubs Orte der Zusammenkunft mit Gleichgesinnten und des Austausches mit einer Art Wahlfamilie. Die Serie Wir Kinder vom Bahnhof Zoo erinnert schmerzlich daran, was zur Zeit nicht möglich ist. 

Seit dem 19. Februar ist die Neuinterpretation von Wir Kinder vom Bahnhof Zoo auf Amazon Prime streambar. Schon seit ich im Jahr 2020 davon gehört hatte, war ich gespannt, wie das umgesetzt werden würde. Das Buch habe ich, seit ich 13 bin, immer mal wieder gelesen und auch den Film mehrfach gesehen. Die Geschichte der jungen Christiane F., die immer tiefer in eine Spirale aus Drogen und Prostitution gerät, fasziniert und schockiert bis heute viele. Obwohl die Serie in den 1970er Jahren spielt und sich vor allem für junge Leute sehr weit weg anfühlen müsste, greift die Geschichte aktuell die Sehnsüchte vieler auf. 

In der Serie sehen wir, wie Christiane das erste Mal die Treppen zum Sound, der „modernsten Diskothek Europas“, runtergeht. Die Treppe wirkt hierbei wie ein Portal zu einer anderen Welt. An die Wände werden weiße Spiralen projiziert und der ganze Club ist in ein blaues Licht getaucht. Christiane mischt sich lächelnd unter die Tanzenden, die zu dem Song Everybody’s Free ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Der Song beschreibt ziemlich gut, worum es in dieser Szene geht. Die Protagonistin fühlt sich frei, gelöst von ihren Problemen zu Hause. Christianes Art zu Tanzen unterstreicht ihren tranceähnlichen Zustand. Die nächste Szene zeigt die Tanzfläche von oben, wobei die Diskokugel über wie der Mond über der Menge schwebt. Alles wirkt mystisch und beinahe märchenhaft. Man hört Christianes Freundin, Babsy, sagen: „Das ist so wie diese Forscher, die mit ihrem U-Boot an die tiefste Stelle des Ozeans runtertauchen. Man steigt aus, aber man ertrinkt nicht, sondern man fliegt. Wie ein Vogel“. Danach zoomt die Kamera auf Christianes Clique und es ist in jedem Gesicht erkennbar, wie losgelöst und frei sie sich fühlen. Im Sound zu sein, ist für sie, wie in einer anderen Welt zu sein, in einer Unterwasserwelt, in der alles möglich und nichts verboten ist. In der man nie weiß, was als nächstes passieren wird und in der man alles sein kann. 
Was in der Serie zu sehen ist, ist nicht nur die Euphorie, die Drogen in unserem Körper verursachen können, sondern die Euphorie, die wir gespürt haben, als es uns noch möglich war, angestauten Stress und Frust im Club rauszulassen. An Clubabenden war immer alles offen, nichts vorgegeben oder forciert. Fremde Menschen auf der Toilette oder beim Rauchen treffen und über den Sinn des Lebens diskutieren; tanzen, bis der Schweiß unseren Körper runterläuft; nach Hause gehen, wenn die Sonne schon wieder zu sehen ist. All das fühlt sich am nächsten Tag immer ein bisschen an wie ein Traum. Eine kurze Auszeit vom Alltag. Ein Traum, dem wir uns seit etwa einem Jahr nicht mehr hingeben können. Obwohl die Corona-Maßnahmen nachvollziehbar und absolut notwendig sind, ist es trotzdem erlaubt, den vergangenen Nächten hinterherzutrauern und sich die damaligen Zeiten herbeizuwünschen. Auch wenn die Figuren der Serie Wir Kinder vom Bahnhof Zoo nicht zu beneiden sind, da sie mit Sucht, Familienproblemen und, besonders die Mädchen, mit Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt zu kämpfen haben, rufen sie uns auch für einen kurzen Moment in Erinnerung, auf was wir aktuell verzichten müssen. Die Serie zeigt uns nicht nur die Vergangenheit von Christiane und ihrer Clique, sondern auch unsere. Hoffen wir, dass sich die Situation bald unter Kontrolle bringen oder am besten sogar vollständig lösen lässt, damit Clubs endlich sorglos öffnen können und bald endlich wieder das Motto gilt: Everybody’s Free. Feel Good.

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