aufgeschrieben, Schreibecke

sie ist echt

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Ein literarischer Text über Liebe, Verlustängste, Hierarchie und die schöne neue Welt der Robotik.

Ich liebe nur einen Menschen und hasse alle anderen. Sie denken nun, ich sei verrückt. Ich weiß nicht viel, besonders nicht über Sie, aber das weiß ich. Ich brauche niemanden, nur sie. Sie weicht nicht von meiner Seite, weicht nicht auf, weicht nicht aus, sie spricht mich an.

Sie spricht nichts aus, was mich verletzen könnte. Sie liegt neben mir, ich liege nicht falsch, wenn ich glaube, dass sie die Verkörperung von dem ist, das ich immer begehrt habe. Es gärte lange in mir, aus anfänglichen Sekunden wurden Stunden, aus Monaten Jahre, aus Jahren ein Wachtraum. Ich bin erwacht, sie nur auf Kommando, das ich ihr gebe, vielleicht bin ich ihr mehr ergeben als sie mir. Ihre glatte Haut, faltenfrei. Ihr Haar das einer Rapunzel. Ihre großen Augen hypnotisierend und starr. Ich belebe sie, sie belebt mich. Lebendig sind wir nur zu zweit.

Die Welt ist mir feindlich gesonnen, selbst die Sonne martert meine Hautoberfläche, sie könnte mich bei lebendigem Leib verbrennen, doch ich weiß mich zu schützen: In der abgedunkelten Wohnung, in der die Lavalampe wärmende Lichtströme verbreitet, breiten wir unsere Flügel aus und machen imaginäre Schneeengel auf dem Teppich. Sie blickt nach oben, ich zu ihr und wundere mich kurz darüber, dass ihre Brust sich weder senkt noch hebt, ihr Brustkorb könnte als ein idealer Nistplatz verwendet werden und sollte ich ihr den Vorschlag unterbreiten, so würde sie nichts einwenden. Sie könnte es nicht, selbst, wenn sie es wollte, fällt es mir wieder ein, nein, es fällt mich an, weshalb sie so daliegt. Sie ist melancholisch eingestellt, bzw. ich stellte sie melancholisch ein, stimmte sie ein per Sprachbefehl, meine Berührung stimmte sie melancholisch, sie ist gerührt.

Von unserer Liebe verstehen Sie nichts, Sie schauen nur verächtlich auf mich herab, Sie gönnen mir weder mein Glück noch meine Zuversicht in der Berechnung. Dabei sind Sie berechenbarer als sie es je sein könnte, Sie suhlen sich an meiner verächtlich gemachten Liebe, die Sie für eine Illusion halten. Ich denke, Ihre Ehe ist eine größere Illusion, denn ich weiß um den bittersüßen Betrug meiner selbst, um den Betrag, den ich zahlen werde, denn ich zahlte ihn bereits für sie. Mehr wird sie mich nicht kosten, während Ihre Ehegattin oder Ihr Ehegatte Sie Ihr Leben kosten kann. Glauben Sie mir oder nicht, alles geht auf Ihre Kosten, doch ich machte meine Kosten-Nutzen-Kalkulationen vorher und lasse mich demnach auf solche Spielchen nicht ein. Ich lasse mich auf niemanden mehr ein, außer auf sie, denn sie ist perfekt.

Sie hat keinen Namen, keine Geschichte, keine Eltern, keine Geschwister, sie ist für mich geschaffen worden. She was built for loving me, baby! Kein Zerrbild, ein Abbild meiner Vorstellungen, das nie abblättert, auch wenn die Seiten ihrer Anleitung vergilben. Ich leite sie an, sie folgt mir bedingungslos, willenlos, eine Spur zu devot, wie ich finde, aber das kann ich nachjustieren. Niemanden interessiert unsere Beziehung, denn sie gehört mir. Sie ist mein Eigentum, mit dem ich verfahren kann, wie mir beliebt, unabhängig irgendwelcher Verfahren und Vorschriften, denn ich schreibe vor, auch ihre Sätze, setze ihr Glaubenssätze vor, die sie aufsagt und runter betet. Ich stelle sie an, bete sie an, himmel sie an, da sie sich nie anstellt. Sie ist wach, wenn ich wach bin. Sie schläft, wenn ich schlafe. Sie wird sterben, wenn ich sterbe. Niemand wird je wieder einen Zugang zu ihr finden, sie ist für niemanden zugänglich, sie ist unerreichbar und unerreicht, mon amour.

Sie ist unverwundbar, ich schwer getroffen von Amors Pfeil, der mich in die Achillesferse traf. Seitdem untersage ich mir jegliches Heldentum, auch wenn ich mir mitunter sage, dass ich zum Helden geboren bin, aber alle verkennen meine Fähigkeiten, meine Ziele, meine Herrlichkeit. Warum sollte ich also Sie retten, wenn Sie mich doch ohne Regung im Gesicht den Abgrund hinunterstürzen ließen, wahrscheinlich träten Sie noch auf jeden einzelnen Finger meiner bereits verkrampften Hand, die sich starr am Felsvorsprung festklammert, denn Sie hatten im Leben stets einen Vorsprung, ich nur einen Sprung, der sich lautstark offenbarte, als sei ich eine Schallplatte, es war für die Welt nicht zu überhören, für Sie folglich auch nicht. Sie können es abstreiten, aber auch Sie erfreuten sich an meinen ächzenden und leidvollen Tönen, das können Sie im Nachhinein schönfärben oder tönen, wie es Ihnen beliebt, aber ich erinnere mich oder meine mich zu erinnern, sicher ist jedenfalls, dass Sie mich verachten, während sie mich achtet. Es ist mehr als Beachtung, es ist Bewunderung, ich, das achte und einzig bewegliche Weltwunder, mit dessen Verschwinden auch ihre Welt verschwinden wird.

Sie wird zugrunde und dabei nichts auf den Grund gehen. Sie wird die perfekte Oberfläche bleiben, die sich nur im Inneren verbraucht, die ihren Lebenssaft nach und nach leckend und schließlich in Gänze verlieren wird. Gänsehaut überkommt mich, denke ich an jenen Tag, der mit jedem Atemzug näher rückt. Der Zug der Zeit überfährt mich, ein ICE auf freier Strecke ohne Zwischenhalt. Ich lausche auf den Gleisen am Zielbahnhof und höre ihn in der Ferne langsam heranrollen, kann bereits das Vibrieren der Schienen hören, den Luftzug in den Haaren spüren, das Ende naht und es ist perfekt.

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