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Das Leben von Sophie Scholl auf Instagram

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In einem vom SWR und BR initiierten Multimedia-Projekt soll uns der Mensch Sophie Scholl näher gebracht werden. Auf der Plattform Instagram können Nutzer:innen das letzte Lebensjahr der Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime auf dem Account @ichbinsophiescholl nachverfolgen.

Sophie Scholl als Influencerin?

Es wirkt zunächst surreal und befremdlich: Bis in den Februar 2022 wird auf dem Instagram-Account @ichbinsophiescholl tagtäglich in Beiträgen, Reels, Storys, Umfragen, Illustrationen und Animationen nachgestellt, was Sophie Scholl in ihren letzten Lebensmonaten umtrieb und wie sie zu einer Gallionsfigur von Widerstandsbewegungen gegen diktatorische Regime weltweit wurde. Das Projekt nimmt sich zur Aufgabe, Sophie Scholls Ängste, Sorgen, Freuden und Kämpfe nachvollziehbar darzustellen und somit auch hinter die historische Figur einer Widerstandskämpferin und Heldin zu blicken.

Sophies Darstellerin, Luna Wedler, filmte den Großteil des Projekts selbst mit einer Handykamera, um das Gefilmte realistisch wirken zu lassen. Es wird folglich radikal subjektiv erzählt – wir betrachten die Welt aus Sophies Augen. Dem Projekt liegt hierbei das Gedankenspiel zugrunde, was gewesen wäre, wenn es zu Lebzeiten von Sophie Scholl soziale Medien und Smartphones gegeben hätte. Das Projekt ist aufwendig recherchiert und stützt sich auf historischen Dokumenten, Briefen und Zeitzeugenberichten, allerdings spielen die Produzent:innen notwendigerweise mit Fiktionen, die das Narrativ ausschmücken und sich in die Wirkungsweise sozialer Medien einfügen.

Kritikwürdig ist in diesem Kontext natürlich Sophie Scholls Darstellung als Influencerin bzw. Bloggerin, die zunächst nicht zur historischen Figur zu passen scheint. Ob es als realistisch zu betrachten ist, dass Sophie Scholl sich derart auf Social-Media-Plattformen präsentieren würde, erscheint jedoch als eher nebensächlicher Aspekt. Denkt man die fiktionalisierte Form des Projekts mit, so kann man sich getrost auf die Spielerei einlassen und selbst die Grenzziehung zwischen der echten und der fiktionalisierten Sophie Scholl vornehmen. Eine Eins-zu-Eins-Übertragung verbietet sich ohnehin von selbst, allein aufgrund des Mediums Film (Schauspiel), der künstlerischen Herangehensweise und der Einbeziehung der Plattform Instagram.

Ausgangs- und Endpunkt

Den Ausgangspunkt des Projekts bildet Sophies Ankunft in München am 04.05.1942, wo sie in Kürze ihr Studium der Philosophie und Biologie beginnen wird. So konnten wir in einer Story bereits Sophie bei ihrer Zugreise nach München begleiten. Kaum aus dem Zug ausgestiegen, begrüßt sie ihr Bruder Hans, der ihr ein Zimmer bei Professor Muth angemietet hat. Das Verblüffendste bisher: Das Projekt wirkt nicht aufgesetzt und zieht einen direkt in seinen Bann. So befremdet es nicht, wenn Sophies Bruder ihr die Handykamera abnimmt, um ihre Ankunft in München festzuhalten. Wedlers Schauspiel ist authentisch, weshalb wir die Aufregung eines jungen Menschen in einer fremden Stadt, für den ein neuer Lebensabschnitt beginnt, förmlich spüren können.

Für das Projekt werden die Produzent:innen auch dokumentarische und historische Originaldokumente- und aufnahmen (bspw. Filmaufnahmen aus den 1940er-Jahren von einem einfahrenden Zug in den Hauptbahnhof München) einweben. Historische Nachbildungen und Kostümierungen werden durchgehend im Projekt Anwendung finden und versprühen bereits jetzt einen zauberhaften Charme.

Am 09.05.1942 feierte Sophie Scholl ihren 21. Geburtstag und sicherlich werden wir mittels Storys und Beiträgen Einblicke in die Feierlichkeiten erhalten. Am 9. Mai diesen Jahres wäre ihr 100. Geburtstag gewesen, der der Initiatorin und Ideengeberin Susanne Gebhardt auch den Denkanstoß für das Projekt gab. Mit der Festnahme von Sophie Scholl im Februar 1943, nachdem sie zum Widerstand aufrufende Flugblätter im Universitätsgebäude München verteilt hatte, wird das Projekt beendet. Das ist in sich konsistent, denn es ist unvorstellbar, dass eine Widerstandskämpferin nach ihrer Verhaftung noch im Besitz ihres Smartphones gewesen sein und ihre Gefangenschaft und Hinrichtung dokumentieren könnte.

Wer war Sophie Scholl?

Bis dahin bleibt uns noch viel Zeit, Sophie Scholl kennenzulernen, die leidenschaftlich und begnadet zeichnete, sich fieberhaft auf die Suche nach dem im Krieg rar gewordenen Kaffee begab, die mit ihrem Bruder Hans Scholl und vielen weiteren Mitstreiter:innen die Widerstandsgruppe Weiße Rose gründete und die durch ihre Liebe zum Wehrmachtssoldaten und überzeugten Nationalsozialisten Fritz Hartnagel vor eine emotionale Zerreißprobe gestellt wurde.

Vor allem bleibt es interessant abzuwarten, wie sich eine junge Frau, die sich in ihrer Jugend vollends mit dem nationalsozialistischen Regime identifizierte und sogar zur Gruppenführerin im Bund Deutscher Mädel aufstieg, zu einer couragierten Kämpferin gegen eben jenes Regime entwickelte. Was veranlasst einen Menschen dazu, dem eigenen inneren moralischen Kompass zu folgen, obwohl er damit sein Leben aufs Spiel setzt? Denkbare Antworten auf diese und viele weitere Fragen werden wir in den kommenden Monaten durch dieses kreative Projekt erfahren, das die Nutzungsmöglichkeiten von Social-Media-Plattformen neu auslotet und mit einer hochwertigen Produktion aufwartet. Wir sind gespannt, wie sich das Projekt entwickeln wird und werden es weiterhin verfolgen.

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