Sommerkokolores #6: Blade Runner
In unserem Special stellen wir euch Bücher, Musik, Spiele, Filme und Serien vor, mit denen wir uns im Sommer am liebsten die Zeit vertreiben. Dieses Mal stellt unser Redakteur Daniel Ridley Scotts Blade Runner vor und erklärt, warum dieser fast vierzig Jahre alte Film weiterhin aktuell scheint.
Wir leben in belastenden Zeiten. Mit Verlaub, weniger hart als die Nachkriegszeit, aber nicht minder problematisch. Als Privatperson fallen mir drei Dinge auf: Meine wachsende Abneigung gegen Verhalten, das ich für falsch halte. Die Isolation richtet die Aufmerksamkeit auf das Innere und man macht sich mehr Gedanken über die eigenen Wünsche und den Platz in der Welt, neben Sorgen über die Zukunft. Letztlich die Umweltkatastrophe, die sich immer deutlicher zeigt. Schon in den Texten des Ingeborg-Bachmann-Preises 2020 wird über diese Themen und die conditio humana sinniert mit z.T. transhumanistischen und dystopischen Anleihen. All dies greift der „Final Cut“ von Blade Runner auf.
Im futuristischen Jahr 2019 ist die Welt eine gigantische, der Fauna und Flora beraubte Ödnis und Menschen behelfen sich, indem sie alles Verschwundene synthetisiert und das Erhaltene zum Luxusgut erhebt. So erschaffen sie auch neue Arbeitskräfte, die sog. Replikanten; Humanoide mit eingebauten Verfallsdatum. Der Film stellt nur zwei Fragen: Warum werden Replikanten, die auf der Suche nach Selbstbestimmung sind, von den namensgebenden Blade Runnern gejagt und was ist Menschlichkeit bzw. wovon hängt sie ab? Spätestens wenn Antagonist Roy Batty seinen ikonischen Monolog über die Vergänglichkeit des Lebens hält, regt der Klassiker zum Nachdenken an. Er setzt es sogar voraus, um ihn verstehen und genießen zu können. Das macht ihn zeitlos. Wer nur unterhalten werden möchte, wird einen verwirrenden und unzufriedenstellenden Noir-Krimi vorfinden und ist mit dem Rest des Netflix-Katalogs besser beraten. Das gilt noch mehr für den Nachfolger.