Film, reingezogen

Skandinavien und der IS

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Der „Islamische Staat“ gewinnt erneut an Macht: Anschläge in Irak und Syrien sind keine Seltenheit. Das gefährdet auch die Sicherheit Europas. In welcher Beziehung gerade Skandinavien zu der Terrororganisation steht, zeigen die Netflix-Serien „Kalifat“ (2020) und „Das Mädchen aus Oslo“ (2021).

Denkt man an die europäischen Gegner der selbst ernannten Terrormiliz „Islamischer Staat“ würde man vermuten, dass die Großmächte Frankreich, Großbritannien, Spanien und Deutschland ganz oben auf der Liste der Zielländer für Anschläge in Europa stehen. Die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris könnten als Argument für diese Idee gelten. An fünf verschiedenen Orten im 10. und 11. Pariser Arrondissement sowie an drei Orten in der Vorstadt Saint-Denis wurden koordinierte, islamistisch motivierte Attentate durchgeführt. Mehr als 120 Personen kamen bei diesen Terroranschlägen ums Leben.

Das skandinavische Trauma

Warum stammen europäische Serien, die den IS als wichtiges Handlungselement haben, aber vor allem aus Skandinavien? Sowohl Schweden, das als Ursprungsland der 2020 erschienen Netflix-Serie Kalifat gilt als auch Norwegen, Produktionsland von Das Mädchen aus Oslo, haben ihre eigenen Erfahrungen mit IS- Terrorismus gemacht. Neben Anschlägen in beiden Ländern mussten sich Schweden und Norwegen auch mit der Rekrutierung des IS auseinandersetzen. Denn Michael Skråmo, Schwede mit zusätzlichem norwegischen Pass, war nicht nur bekennender IS-Anhänger und Terrorist, sondern auch derjenige, der im Norden IS-Terroristen rekrutierte. Er postete Fotos mit militärischer Kleidung sowie IS-Parolen, gab sich auf Facebook selbst die arabischen Namen Abu Ibrahim Al-Swedi und Abdulsamad al-Swedi („al swedi“ bedeutet übersetzt „der Schwede), überzeugte seine Frau vom Islam und rief terroristische Einheiten in Europa zu Terroranschlägen auf. Während seine Frau 2018 in Syrien bei einem Granatenangriff starb, gibt es für den unter Abdul Samad bekannten Salafisten keinen Todesbeweis. Medien zufolge sei Skråmo 2019 bei einem IS-Kampf in Baghouz (Syrien) von den kurdischen Kämpfern inhaftiert worden, aber sein Name fehlte auf der Liste der gefangen genommenen IS-Terroristen. Seine Mutter in Schweden behauptete, wenige Zeit später Nachricht über seinen Tod erhalten zu haben. Trotz allem steht er bis heute auf der Fahndungsliste von Interpol.

Aufklärung über die Gefahren der Radikalisierung

Sowohl in Kalifat als auch in Das Mädchen aus Oslo geht es um radikale Religionsausübung. Die nordischen Serien tragen mit ihren Produktionen daher zur Aufklärung bei. Es geht nicht nur darum, Selbst- und Fremdbilder zu entwerfen, sondern Eltern und junge Menschen für die Themen „Radikalisierung“ und „Islamischer Staat“ zu sensibilisieren. Skandinavien gelingt es, die vielfältigen Verbindungen zur Terrororganisation realistisch darzustellen und auf diese Weise auf die direkten und indirekten Anzeichen der Radikalisierung aufmerksam zu machen.

Differenzierte Bilder von Frauen in den Fängen des IS

In beiden Serien ist das weibliche Geschlecht von großer Bedeutung. Die Frauenbilder fallen dabei allerdings sehr unterschiedlich aus. In Kalifat steht vor allem die Manipulation der Mädchen bzw. jungen Frauen durch den IS im Vordergrund. So beginnt die 15-jährige Sulle, welche in Schweden aufwächst, einer arabischen Familie entstammt und eigentlich nichts mit Religion am Hut hat, auf einmal einen Hijab zu tragen, als sie vom Schulassistenten Ibbe radikalisiert werden – mit Tricks, Charme und Lügen. Gleiches macht der IS-Anhänger mit ihren beiden Freundinnen, sodass alle drei am Ende bereit sind, nach Syrien auszuwandern, um die Religion dort wahrhaftig zu leben und „Kämpfer“ zu heiraten. Interessant ist im weiteren Verlauf der Serie die Kontrastierung. Die Mädchen merken recht schnell, dass die Realität anders aussieht als das Paradies, das ihnen versprochen worden ist.

Drei junge Frauen in schwarzer islamischer Montur.
Werden unter falschen Versprechungen nach Syrien gebracht: Die drei jungen Schwedinnen um Sulle (Mitte) müssen schon bald erfahren, dass die Realität ganz anders aussieht. [Bild: Netflix]

Die Parallelhandlung von Kalifat spielt im syrischen Raqqa. Pervin, eine Schwedin mit türkischen Wurzeln, plant ihre Flucht. Denn in der IS-Hauptstadt haben Frauen keine Rechte. Ihr Leben ist brutal und minderwertig. Sie müssen ihren Männern gehorchen, dürfen nicht ohne männliche Begleitung auf die Straße und müssen einen Niqab tragen. An ihr wird der Gegensatz zwischen Versprechen und Realität auf schonungslose Weise deutlich. Gleichzeitig wird mit der Figur Pervin aber auch vermittelt, dass Skandinavien viel dafür tut, diese Frauen zurück nach Europa zu bringen. Solange sie eine Gegenleistung in Form von geheimen Informationen erbringen.

Ein ganz anderes Bild zeichnet sich in Das Mädchen aus Oslo ab. Dort wird die junge Norwegerin Pia auf einer Reise auf die Sinai-Halbinsel vom IS als Geisel genommen. Die Entführung war beabsichtigt, denn ihre Mutter ist eine norwegische Diplomatin und hat eine besondere Verbindung zum Nahen Osten. Gemeinsam mit ihren israelischen Kontakten versucht diese, den Wunsch der Terroristen zu erfüllen und ihre Tochter aus der Geiselhaft zu befreien. Die Frauen spielen für den „Islamischen Staat“ entgegen ihrer Verkündungen also doch eine wichtige Rolle.

Der „Islamische Staat“ ist europäisch geprägt

Schnell zeigt sich, dass der Islamische Staat auch auf Europa angewiesen ist. Er benutzt junge Europäer:innen, um größer und mächtiger zu werden. Oftmals haben die Unterstützer wie die beiden schwedischen jungen Männer in Kalifat keine Ahnung von der Religion, geschweige denn von dem barbarischen Leben eines IS-Anhängers (Dass das aber nicht nur auf Christen, sondern auch auf Muslime vor Ort zutrifft, sieht man an Yusuf in Das Mädchen aus Oslo oder Husam in Kalifat).

Auch auf sprachlicher Ebene wird die Verwurzelung von IS und Skandinavien deutlich. Als Verhandlungssprache wird Englisch verwendet. Kaum jemand spricht Arabisch. Auch Ibbe spricht in Schweden die Landessprache, was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass Schwedisch im Vergleich zu anderen europäischen Sprachen von wenigen Leuten gesprochen wird.

Fazit

Am Ende beider Serien siegt der Westen, dementsprechend Schweden und Norwegen. In Kalifat kann der Terroranschlag verhindert und zumindest zwei der Mädchen können vor der Verschleppung nach Raqqa bewahrt werden. Auch in Das Mädchen aus Oslo können die Eltern Pia nach ihrer Rettung wieder in die Arme schließen. Entscheidend ist, dass in beiden Produktionen junge IS-Anhänger die Handlungen der Terrormiliz nicht mehr vertreten können und sich deshalb für die Rettung der Europäerinnen einsetzen. So setzen die Serien zwar unterschiedliche Schwerpunkte, was die Problemlösung angeht (in Kalifat die Unterstützung der ehemaligen Schwedin Pervin, in Das Mädchen aus Oslo die Kooperation mit anderen islamischen Staaten), aber sie vermitteln die gleiche Kernbotschaft: Der Islamische Staat ist mächtig und grausam, er verführt junge Menschen; aber mit der Hilfe von Menschen vor Ort gelingt es, seine Terrorangriffe zu unterbinden und mehr Sicherheit sowohl in den betroffenen Regionen als auch in Europa zu gewährleisten.

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