Postcrossing – Postcards connecting the world
Statt einer Rechnung findet unsere Redakteurin Annika in ihrem Briefkasten eine Postkarte vom anderen Ende der Erdkugel. Die Postkarte ist Teil des internationalen Projekts Postcrossing, das unbekannte Menschen aus aller Welt miteinander verbindet.
Auf der Postkarte ist ein Kiwi abgebildet, die Karte stammt von der 56-jährigen Charlotte aus Neuseeland. Noch bevor ich mir die Karte genauer angucke, wird mir bewusst, wie sehr Briefkästen polarisieren. Und dass das vielen Menschen noch nicht aufgefallen ist. Ja, sie können ein Fluch sein, wenn in ihnen wieder der nächste Werbekatalog oder die nächste schriftliche Zahlungsaufforderung steckt. Aber Briefkästen sind auch so toll! Insbesondere zur Weihnachtszeit oder zum Geburtstag öffne ich mit Freude meinen Briefkasten und kann es kaum erwarten, mir die handgeschriebenen Karten durchzulesen. Leidenschaftlich sammle ich auch gerne Postkarten. Als ich von dem internationalen Projekt Postcrossing gelesen habe, zögerte ich nicht lange und registrierte mich.
Postkarten stillen das Fernweh
Warum Postkarten mir so gefallen? Sie erinnern uns an etwas, meistens an eine Reise in ein fremdes Land. Man kann seinen Lieben für wenig Geld handgeschriebene Grüße schicken. Und damit meine ich nicht unbedingt die typischen Postkarten für Touristen. Denn sie bieten grafisch sehr viel mehr. Es gibt eine unendliche Vielfalt an Postkarten. Aber in jedes Land reisen, ist wohl unmöglich. Genau hier setzt Postcrossing an: Man verschickt Postkarten in alle Herren Länder und bekommt von anderen Orten der Welt kleine zurück. Aus welchem Land der Absender kommt, kann man vorab nicht festlegen, was dem Ganzen aber mehr Spannung verleiht.
Und die Auswahl an Ländern ist so divers wie die des angedachten Kommunikationsmittels. Neben den bekannten europäischen Ländern kommen die Mitglieder auch aus Taiwan, Belarus, Kanada, Brasilien oder der Volksrepublik China. Funfact: Deutschland belegt mit 55.709 Nutzer:innen den 5. Platz auf der Rangliste mit den meisten Mitgliedern und hat mit 8.844.567 die meisten Postkarten versendet (Stand 23. Juli 2020).
Digitalisierung zugunsten des Analogen
2005 kam Paulo Magalhães auf die Idee, das internationale Projekt Postcrossing zu entwickeln. Das Großartige daran: Es verwendet die Digitalisierung, um etwas Analoges, ein langsam in Vergessenheit geratenes Kommunikationsmittel, wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Zunächst müssen sich Nutzer:innen auf der Website registrieren. Neben einer E-Mailadresse muss – wie zu erwarten – auch eine Postadresse angegeben werden. Per Zufallsgenerator bekommt man dann eine Adresse aus Deutschland oder einem anderen Land zugewiesen. Denn wer eine Postkarte bekommen möchte, muss zuerst selbst aktiv werden und eine Karte verschicken. Auf diese Weise dreht sich das Postcrossing-Rad immer weiter und kommt nie zum Stillstand. Über eine ID wird die Karte letztlich zugeordnet und die Adresse des Absenders für den Postkartenerhalt freigeschaltet.
Handgeschriebene, persönliche Nachrichten
Die Bilder auf den Postkarten bezaubern. Viel interessanter sind für mich allerdings die persönlichen Nachrichten, die per Hand auf die Postkarte geschrieben werden. Charlotte aus Neuseeland erzählt mir z. B. von ihrer Enkeltochter, die sich nun auf die Weihnachtszeit freut. Neben ihren Text hatte Charlotte einen Weihnachtsbaum gemalt. Die spannendste Nachricht, die ich bislang erhalten habe, kam von einer Frau, die den Amish People in den USA angehört. Auf ihrer Postkarte berichtete sie über ihr Leben in der abgeschiedenen Siedlung, was mich mit Faszination zurückließ. Regeln, was die Nachricht beinhalten soll, gibt es keine. Das überlässt Postcrossing seinen Nutzer:innen selbst. Viele Mitglieder teilen auf ihrem Websiten-Profil Wünsche oder Informationen über sich mit. So kann der Absender auf die Interessen des Empfängers eingehen. Wie viel Herzblut in den Postkarten steckt, erkennt man meistens auch an der Gestaltung der Postkarte auf der Rückseite. Häufig sind die Karten mit Stickern oder Washi-Tape verziert (insbesondere die Mitglieder aus dem asiatischen Raum geben sich sehr viel Mühe), teilweise malen die Absender wie Charlotte etwas neben ihren Text. Auch hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.
Nach dem Erhalt von Charlottes Postkarte ist es nun an mir: Welche Nachricht schreibe ich auf welche Postkarte? Und viel spannender: In welchem Teil der Erde wird diese Postkarte am Ende landen?