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Listenlust: Wie man NICHT wandern gehen sollte!

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Wandern muss gelernt sein! Damit ihr für einen Trip in die Wildnis vorbereitet seid, habe ich vorsorglich schon einmal alle Fehler begangen, die man begehen kann, damit ihr aus ihnen lernen könnt.

Ich wandere für mein Leben gern. Schon als Kind wurde ich von meinen Eltern durch die Alpen oder den Harz geschleppt und ich bin immer brav mitgestiefelt. Aber damals machten wir nur Tagesausflüge. Es dauerte bis zu meinem neunzehnten Lebensjahr, um auch das Mehrtageswandern für mich zu entdecken. Damals reiste ich als Backpackerin für ein Jahr nach Neuseeland, ein Flecken Erde im pazifischen Ozean, auf dem das Wandern zum guten Ton gehört. Es gibt dort einige Wanderpfade, die sich quer über die zwei Hauptinseln Neuseelands verteilen und die Besucher:innen durch die einzigartige und unberührte Natur des Inselreichs führen. Einkehrmöglichkeiten bieten entweder spärlich eingerichtete Hütten oder Zeltplätze. Für mich roch das nach Abenteuer und von Abenteuern kann ich nie genug haben. Ich versuchte mich an verschiedenen mehrtägigen Wanderungen und erhielt jedes Mal ein Abenteuer; aber auch eine Lektion, die ich sicherlich nie vergessen werde.

Lektion Nummer 1: Kenne deine Ausrüstung!

Meine allererste Wanderung fand überstürzt statt und entsprechend überstürzt warf ich auch meine Ausrüstung und meinen Proviant zusammen. Es sollte auf den Queen Charlotte Track in den Marlborough Sounds gehen, dessen 73,5 Kilometer ich in drei Tagen bewältigen wollte. Das schaffte ich auch, aber eher schlecht als recht!

Mein Gepäck war absolut unhandlich und fast so schwer wie ich selbst. Ich lieh mir ein altes Zelt von meiner Mitbewohnerin, das nicht die idealen Packmaße besaß und zudem wahrscheinlich kein Unwetter überlebt hätte. Außerdem überließ sie mir ihre zusammengerollte Yogamatte, die ich als Isomatte benutzen würde. Und zu guter Letzt bekam ich auch noch ihren Campingkocher, der allerdings nicht klein und smart war, sondern so groß wie ein Werkzeugkoffer. Als Verpflegung besorgte ich mir so ziemlich die schwersten Lebensmittel, die es gibt: Konservendosen.

Am Morgen des ersten Wandertages musste mein Mitbewohner mich zum Bootsanleger begleiten, weil ich meinen Rucksack nicht allein tragen konnte. Zum Glück übernahm von da an der Fährmann den Gepäcktransport – er würde meinen Rucksack am nächsten Campingplatz abliefern. Ich konnte mit einem kleinen Proviantrucksack den Weg begehen.

Nach 30 Kilometern und neun Stunden Wanderung kam ich abends im Camp an und wollte mir mein wohlverdientes Abendessen kochen: Spaghetti aus der Dose. Der Gaskocher hielt allerdings nicht lang, denn die Gaskartusche war leer. So musste ich kalte Nudeln essen. Wenn das mein geringstes Problem gewesen wäre… Den Gaskocher brauchte ich vor allem, um das Wasser abzukochen, das entlang des Wanderweges aus dreckigen Wasserhähnen floss. Das Einzige, was mir übrig blieb, war, die anderen Camper:innen um Gas anzubetteln. Es war mir sehr unangenehm zugeben zu müssen, wie miserabel ich vorbereitet war, vor allem weil eine große Pfadfinder:innengruppe auf dem Campingplatz residierte, die mich wahrscheinlich alle ungläubig und mahnend angeblickt hätten. Aber ich fand sowohl am ersten als auch 25 Kilometer weiter am zweiten Campingplatz nette Wanderer, die mir halfen und mit denen ich schließlich teetrinkend und schwatzend die Abende verbrachte. 

Die anschließenden Nächte entsprachen ebenfalls einem hohen Fauxpax-Level. Zelt und Yogamatte hielten kaum warm und ich bibberte mich durch die Nacht. Genauso gut hätte ich im Freien schlafen können. 

Mein gigantischer Rucksack war also ein gigantischer Rucksack voll nutzloser Dinge: Ein Gaskocher, den ich nicht mehr gebrauchen konnte, ein behelfsmäßiges Zelt und eine klägliche Yogamatte, die mich nicht warm hielt. Ich kämpfte mich trotz allem bis zum Ende durch und war stolz, diesen Chaostrip überlebt zu haben, der auch deutlich hätte schief gehen können. Das Erste, was ich mir anschließend kaufte, war ein kleiner, kompakter Gaskocher mit aufgefüllter Gaskartusche.

Die Marlborough Sounds!
Trotz Chaos-Wanderung: Die Marlborough Sounds sind einfach wunderschön! [Bildquelle: © Karoline Klotsch]

Lektion Nummer 2: Lies den Wetterbericht!

Nach dem Queen Charlotte Track kehrte vorerst Ruhe in mein Leben ein, denn ich arbeitete als Kellnerin in einem Café, um mir meine nächsten Abenteuer zu finanzieren. Nach drei Monaten wartete die große Freiheit wieder auf mich. Ich hatte genug Geld verdient, um die kommenden Wochen alles beim Reisen zu verprassen. Meine erste Unternehmung sollte wieder eine mehrtägige Wanderung sein, die mir eine meiner Gas-Gönnerinnen vom Queen Charlotte Track empfohlen hatte: Die Old Ghost Road. Ich fühlte mich erfahren und bereit für eine neue Herausforderung. Meinen kleinen Gaskocher hatte ich im Gepäck und anstatt Konservendosen stieg ich auf Instantnudeln um, die schnell zu kochen und leicht verpackt sind. Ein Zelt oder eine Isomatte brauchte ich nicht, denn anstelle von Campingplätzen gibt es auf der Old Ghost Road kleine Hütten mit fünf bis zehn Betten für die Wanderer. 

Am Morgen des ersten Tages lag ich noch in meinem Hostelbett in Nelson, von wo aus ich mit dem Bus zum Startpunkt gelangen würde. Um fünf Uhr wurde ich von tosendem Sturm und heftigem Gewitter geweckt. Ich dachte ich hätte an alles gedacht, aber eins hatte ich dann wohl doch vergessen: Den Wetterbericht zu lesen…

Ich wälzte mich noch zwei Stunden bangend und ängstlich in meinem Bett und in meinem Kopf tobten Schreckensszenarien, in denen ich von Wassermassen die Berge hinuntergespült wurde und zu einer Schlagzeile wurde: Deutsche Wanderin in Neuseeland verunglückt! 

Doch um sieben schälte ich mich aus der warmen Decke und trat hinaus in den Regen. Es gab für mich einfach kein zurück und die folgenden drei Tage auf der Old Ghost Road wanderte ich durch Regenmassen und Nebelschwaden. So schlimm fand ich es gar nicht, denn das Wetter verpasste der Wanderung eine gruselige und mystische Atmosphäre – wie auf einer alten Geisterstraße halt. Aber als vernünftiger Mensch müsste ich meinem Vergangenheits-Ich wohl sagen: Das war ganz schön lebensmüde und unverantwortlich!

Lektion Nummer 3: Nimm genügend Wasser mit!

Auf meiner dritten Wanderung in Neuseeland bewahrheitete sich der Titel des Weges mal wieder. Auf dem Kill Devil Track dachte ich ernsthaft, dass ich nun mitten in der Wildnis verrecken würde. Ich wollte nur für eine Nacht in die Berge in der Golden Bay, in einer Hütte übernachten und anschließend wieder zurück in die Zivilisation. Diesmal hatte ich sogar eine Begleiterin. Die Strecke war laut Karte nur wenige Kilometer lang und selbstsicher verkündete ich meiner Wanderpartnerin, dass wir im Nullkommanichts an unserer Unterkunft ankommen würden. Die Hütte stellte ich mir vor wie auf der Old Ghost Road: Spartanisch eingerichtet, aber sauber und mit fließendem Wasser. Auch das Wetter hatte ich diesmal gecheckt und ich befand die Wanderbedingungen als optimal: Purer Sonnenschein.

Trotz guter Vorbereitung wurde diese Wanderung zu meinem persönlichen Horrortrip, denn so gut war ich schließlich nicht vorbereitet. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass die Strecke zwar kurz, aber dafür sehr steil ist. Nach wenigen Metern rannen uns die Schweißperlen von der Stirn. Hitze. Viel mehr Anstrengung als erwartet. Wir mussten trinken und dann waren unsere Wasserflaschen auch schon leer. Verzweifelt suchten wir am Wegesrand nach Wasserquellen, aber wir fanden keine. Ich war so erschöpft und dehydriert, dass ich völlig panisch reagierte und fest davon überzeugt war, dass wir nun sterben müssten. Wir schleppten uns weiter. Die Hütte kam in Sicht und wir dachten, nun werde alles gut, aber die Hütte war eher ein Schuppen und hatte natürlich kein fließendes Wasser. 

Unsere Rettung waren zwei Wanderer, die uns eine Chlortablette in die Hand drückten und uns den Weg zum nächsten Fluss wiesen. Es war eine Erlösung; wir ließen uns ins kühle Nass fallen, füllten unsere Flaschen und mussten dreißig Minuten warten, bis die Tablette das Wasser desinfiziert hatte und wir es gierig hinunterstürzen konnten. Das Wichtigste, das man beim Wandern dabei haben sollte – noch vor einem Gaskocher, Instantnudeln oder einem Zelt – ist also Wasser!

Eher Schuppen als Unterkunft!
In so einem Schuppen übernachteten wir! [Bildquelle: © Karoline Klotsch]

Lektion Nummer 4: Habe genug zu essen dabei!

Der König der Wanderpfade ist der Milford Track. Er gilt als einer der schönsten Wege, die man auf unserem Planeten Erde begehen kann. Vier Tage führt ein Pfad durch die Milford Sounds im Süden der Südinsel. Das Panorama ist atemberaubend: Urzeittäler, Wasserfälle, Berggipfel. Das einzige Manko des Tracks ist das Wetter: Egal wie oft man den Wetterbericht liest, er ändert sich kaum, denn der Milford Sound ist eine der regenreichsten Gegenden Neuseelands.

Mit dem neuseeländischen Wanderwetter hatte ich ja schon einige Erfahrung, also machte ich mir vorerst keine Sorgen, als ich die heißbegehrten Tickets für diesen Walk ergatterte. Ich dachte mal wieder, ich wäre gut ausgerüstet und stürmte los. Doch an der ersten Zwischenstation – einer großen, komfortablen Hütte – traf ich auf Umkehrer. Viele Wanderer kamen mir entgegen und berichteten von schulterhohem Wasser, durch das sie waten mussten und somit zur Umkehr gezwungen worden waren. Auf der Hütte wohnte auch ein Ranger, der mir und den anderen Wanderern des Tages verkündete, dass sich erst morgen herausstellen würde, ob wir unseren Weg fortsetzen könnten oder nicht. Sollten wir aufgehalten werden, blieb uns nichts anderes übrig, als die Überflutungen auszusitzen und somit ein paar zusätzliche Tage auf dem Track zu verbringen.

Was wie eine tolle Gelegenheit klang, einfach mal einen Tag lang mitten im Nirgendwo die Seele baumeln zu lassen und abzuwarten, löste bei mir mal wieder Panikattacken aus. Ich hatte meinen Proviant genau abgezählt, um unnötiges Gewicht zu vermeiden, und musste mir Gedanken machen, ob ich die Tage durchkommen würde. Ich traute mich am ersten Abend nicht, mehr als einen Müsliriegel zu essen, um mir den Rest meines Vorrats aufzusparen. Wer wusste schon, was noch kommen würde. Dass drei Soldaten neben mir, die vierzig Kilo schwere Rucksäcke problemlos mit sich herumtrugen, erstmal einen Berg an Süßigkeiten auspackten und zu futtern begannen, machte die Sache für mich nicht besser.

Kniehohes Wasser
Diese Wassermassen waren noch harmlos! [Bildquelle: © Karoline Klotsch]

Lektion Nummer 5: Trage vernünftige Wanderschuhe!

Ich konnte den Milford Track in vier Tagen bewältigen. Der Regen ließ nach, sodass auch die Überschwemmungen zurückgingen und ich nicht mehr durch schulter-, sondern nur noch durch kniehohes Wasser waten musste. Meinen Proviant konnte ich ruhigen Gewissens auffuttern. Am vierten Tag kam ich durchnässt, aber überwältigt von den vergangenen Erlebnissen an einer Bootsanlegestelle an, wo ich von einer Fähre abgeholt wurde.

Ich hatte in keiner Nacht gefroren; ich hatte einen kleinen Gaskocher, der mir treu seine Dienste erwiesen und mich gut versorgt hatte; ich hatte immer ausreichend Wasser dabei gehabt. Trotzdem erteilte mir der Milford Track eine letzte, bittere Lektion: Meine Wanderschuhe – zugegebenermaßen waren es keine richtigen Wanderschuhe, sondern einfach modische Boots, in denen ich gut laufen konnte – hatten die Wassermassen nicht überlebt. Als ich meinen Fuß anhob, hing die Sohle einfach herab. Wanderschuhe sollten also nicht nur bequem sein, sondern auch wasserfest!

Meine alten Schuhe haben mir treue Dienste geleistet.
Meine Wanderschuhe haben mir stets gute Dienste geleistet! [Bildquelle: © Karoline Klotsch]
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