Literatur, nachgelesen

Listenlust: April April – 7 geniale Streiche aus der Literatur und was wir aus ihnen lernen können

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Erster April, Tag des Scherzes. Für uns ein Anlass, die Streiche unserer literarischen Lieblinge in den Blick zu nehmen. Mit Kreativität, Witz und nicht selten einer Portion Mut legen sie ihre Mitmenschen auf ganz unterschiedliche Arten herein. Als Lesende können wir bei diesen Geschichten nicht nur über die brillanten Pläne schmunzeln, sondern uns auch kleine Alltagsweisheiten ins Gedächtnis rufen. 

Einer, dem es gelingt dreimal getauft zu werden, sich vielfach als jemand auszugeben, der er nicht ist, und der für Durcheinander sorgt, indem er Redewendungen wörtlich nimmt. Till Eulenspiegel gilt als Inbegriff des Schalks. Oft sind die Schwänke, die sich um ihn ranken, gesellschaftskritische Satiren ihrer Zeit, seine Streiche machen ihn legendär. Seit die Schelmengeschichten um Eulenspiegel im sechzehnten Jahrhundert erstmals niedergeschrieben wurden, finden sich immer wieder gewitzte und zu Streichen aufgelegte Figuren in der Literatur. Sieben ihrer Glanzleistungen werden wir uns nun genauer anschauen. Können wir auch aus ihnen lernen?

1. Gleich und doch verschieden

Mit einem klassischen Rollentausch stiften die Zwillinge Lotte und Luise bei ihren Eltern Verwirrung. Im Ferienlager lernen sich die Schwestern aus Erich Kästners Das doppelte Lottchen kennen und müssen feststellen, dass ihre Eltern ihnen die Existenz der jeweils anderen neun Jahre lang verschwiegen haben. Im Gegenzug beschließen die beiden, nach den Ferien die Plätze zu tauschen. Lotte, die bei ihrer Mutter in München aufgewachsen ist, will so ihren Vater kennenlernen, Luise wiederum, die sonst mit dem Vater in Wien lebt, lässt sich von ihrer Mutter abholen.

Obwohl sie sich gegenseitig akribisch auf das Alltagsleben vorbereitet haben, drohen ihre Eigenheiten wiederholt sie zu verraten. Es ist eben doch nicht so einfach, eine andere zu werden! Schließlich fliegt die Täuschung auf und die Mädchen können dem „neuen“ Elternteil endlich als sie selbst begegnen. Wir merken uns: Ein Rollentausch kann Spaß machen, ist aber selbst für Zwillinge nicht so leicht, wie er scheint. 

2. Zauberhafte Zauberscherze

Ein weiteres zu Streichen aufgelegtes Zwillingspaar ist aus den Harry-Potter-Romanen von J. K. Rowling bekannt. Ob Kotzpastillen, verzauberte Schneebälle oder Juxzauberstäbe – Fred und George Weasley lassen keine Gelegenheit aus, Lehrende, Mitschüler:innen und Eltern hereinzulegen. Ihr Meisterstück vollbringen sie im fünften Teil der Buchreihe. Dem strengen Regiment der neuen Lehrerin Dolores Umbridge überdrüssig, sorgen sie ein letztes Mal für Unruhe in der Zauberschule. Nachdem sie einen Schulkorridor in einen Sumpf verwandelt haben, schwingen sie sich zum Abschied auf ihre Flugbesen und lassen die erboste Professor Umbridge machtlos zurück. Ein Abgang, der den Meistern der Scherze würdig ist.

Mit ihrem letzten Streich in der Zauberschule Hogwarts inspirieren uns die Weasley Zwillinge, unsere Träume zu verfolgen. Immerhin bedeutet ihr Schulabbruch den Beginn ihres fantastischen, lang ersehnten Scherzartikelladens „Weasleys Zauberhafte Zauberscherze“. 

3. Wie vom Erdboden verschluckt

Einen beeindruckenden Streich heckt auch eine Gruppe von Kindern in Harper Lees Wer die Nachtigall stört aus. Eines Halloweenabends schleichen sie sich in das Haus der schwerhörigen Schwestern „Miss Tutti und Miss Frutti“ und räumen das gesamte Mobiliar in den zum Haus gehörigen Keller. Dass es sich nicht um einen Diebstahl handelt, sondern sie getäuscht worden sind, stellen die Schwestern erst fest, als die Bluthunde, die sich auf die Suche nach dem Diebesgut begeben sollen, nur die Kellertür anjaulen. 

Die Protagonistin Scout erzählt die Geschichte aus ihrer Erinnerung nach, versichert jedoch ausdrücklich, selbst nicht an diesem Streich beteiligt gewesen zu sein. Ob wir ihr glauben dürfen? Sie zeigt uns jedenfalls, dass es der spaßigste Teil eines Streichs sein kann, davon zu erzählen. 

4. Ein Anstreicher-Streich

Wer sich vor der Arbeit drücken will, muss erfinderisch sein. Das weiß auch Mark Twains Tom Sawyer. Als er mit der Aufgabe, einen Zaun anzustreichen, bestraft wird, gelingt es ihm, einige vorbeikommende Jungen davon zu überzeugen, dass die Arbeit ihm das größte Vergnügen bereitet. Die Begeisterung der Jungen ist so groß, dass sie bereitwillig die gesamte Anstreicharbeit übernehmen. Und damit nicht genug: Als Bezahlung dafür, beim Streichen helfen zu dürfen, überlassen sie ihm sogar kleine Schätze aus ihrem Besitz. So heimst Tom, der die arbeitenden Kinder von einem Schattenplatz aus beobachtet, unter anderem einen fast neuen Drachen, zwölf Steinkugeln und einen Zinnsoldaten ein. 

Toms rhetorisches Geschick hinterlässt Eindruck. Seine Strategie erinnert allerdings auch an versteckte Product Placements oder politische Propaganda. Anders als Toms Freunde wollen wir in der Lage sein, solch unterschwellige Überlistungen zu durchschauen und zu hinterfragen, was wir wirklich wollen. Aber gelingt uns das tatsächlich? 

5. Rache will geplant sein

Wohl kaum eine Internatsgeschichte kommt ohne Streiche aus. Als besonders geschickt erweisen sich dabei Alaska Young und ihre Clique in John Greens Roman Eine wie Alaska. Der finale Streich der Geschichte ist wohl der genialste, doch der soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Das Planungsgeschick, das in einen früheren Jux fließt, ist nämlich ebenfalls nicht zu verachten: In drei parallelen Operationen zünden die Freund:innen ein Feuerwerk, um den Dekan aus dem Haus zu locken, schleichen sich in die Zimmer der Tagesschüler:innen, um blaue Farbe in ihre Haarpflegeprodukte zu mischen und versenden E-Mails an die Eltern einiger Tagesschüler:innen, in denen sie vom schulischen Versagen ihrer Kinder unterrichtet werden. Dass sie unentdeckt bleiben, verdanken die Freund:innen ihrer beharrlichen Vorbereitung. Unabhängig voneinander hatten sie sich bei der Internatsleitung abgemeldet. So weiß niemand außer ihnen, dass sie ihr Wochenende gemeinsam verbracht haben, geschweige denn in der Nähe des Internats.

Obwohl Alaska und die anderen Freude am Aushecken des Schabernacks empfinden, wählen sie ihre Opfer nicht beliebig. Die Tagesschüler:innen hatten Alaskas Freund Miles nach seiner Neuankunft im Internat gefesselt in einen See geworfen und das Aufnahmeritual damit gehörig übertrieben. Für Alaska und ihre Clique bedeutet das, dass ein Racheakt fällig ist. Deshalb können wir ihnen die vergleichsweise harmlosen Streiche auch nicht übelnehmen.

6. Knusper, knasper! 

Anders ist das bei zweien der bekanntesten Streichespieler der deutschen Literatur: Max und Moritz machen Erwachsenen aus Langeweile und Eigennutz in sieben Episoden das Leben schwer – und müssen dafür am Ende teuer bezahlen. Trotzdem unterhalten sie mit ihren Dreistigkeiten. Ihr sechster Streich verdient unsere besondere Aufmerksamkeit, denn er ist der erste, bei dem die beiden Jungen in Bedrängnis geraten. Nachdem sie durch den Schornstein in die Bäckerei eingebrochen sind, um etwas von dem süßen Ostergebäck zu stibitzen, werden sie vom Bäcker erwischt und sogleich mit Teig ummantelt im Ofen gebacken. Den unermüdlichen Kindern gelingt schließlich jedoch nicht nur die Flucht, sondern sie können sich sogar wie geplant die Bäuche vollschlagen, während sie sich aus ihren Teigmänteln knabbern. Vielleicht können wir uns etwas von ihrem Optimismus angesichts einer scheinbar aussichtslosen Lage abschauen. 

In den Worten von Wilhelm Busch: „Dieses war der sechste Streich, doch der letzte folgt sogleich!“

7. Wer zuletzt lacht…

„Und da hab ich’s gemacht.‘ […] ‚Was, Minny?‘ ‚Ihr gesagt, sie soll meine Scheiße fressen!‘“ Im Mississippi der 1960er Jahre weiß Haushälterin Minny aus Kathryn Stocketts Gute Geister sich zu wehren. Nachdem Miss Hilly ihr ein herabwürdigendes, von Rassismus triefendes Arbeitsangebot macht, backt Minny ihr einen Schokoladenkuchen, der es in sich hat. Was genau er in sich hat? Nun, so viel sei gesagt: Ihre Beleidigung darf wörtlich genommen werden. 

Minny beweist, dass Streiche nicht nur etwas für Kinder sind. Ihr Handeln stellt Machtstrukturen in Frage. Für sie ist der „besondere“ Kuchen ein Akt des Widerstands, mit dem sie den Ungerechtigkeiten, die ihr widerfahren, entgegentritt. 

Vertauschte Rollen, Widerstandshandlungen und viel Humor – Till Eulenspiegel wäre bestimmt stolz auf die literarischen Streiche, die nach seiner Zeit ersonnen worden sind. Und für uns kann der ein oder andere Streich möglicherweise Inspiration für einen kreativen Aprilscherz sein!

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