Kunst, nachgelesen

Jeden Tag Spaghetti. Wie es sich anfühlt von hier zu sein, aber irgendwie auch nicht

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In ihrem neuen Buch „Jeden Tag Spaghetti“ widmet sich die Illustratorin Lucia Zamolo auf sehr intime Weise dem Thema Migrationshintergrund. Und wundert sich, warum dieser Hintergrund viel zu oft im Vordergrund steht. Heraus kam ein wunderschönes Sachbuch, das aus eigenen Erfahrungen schöpft und sehr sensibel das Thema (Alltags-) Rassismus behandelt.

„Und woher kommst du?“

„Nee, ich meine EIGENTLICH, wo du EIGENTLICH her kommst!“. Da ist sie wieder. Diese Frage, die eigentlich überhaupt keine Frage ist. Denn die Antwort „Von hierher!“ ist selten genug und der Partysmalltalk entwickelt sich schnell zu einer unangenehmen Bedrängnis über den eigenen Familienstammbaum. Denn, so wenig wie „Mein Vater kommt aus Italien“ die richtige Antwort zur eigenen Herkunft ist, so wenig ist die Frage des „Woher“ eine Frage. Sondern eine Feststellung – dass das Gegenüber nämlich anders ist.

Solche Erfahrungen verarbeitet die, 1991 in Münster geborene, Illustratorin Lucia Zamolo in ihrem mittlerweile dritten Buch „Jeden Tag Spaghetti“, erschienen im Bohem-Verlag. Und da einem selbst Spaghetti aus den Ohren heraus hängen, wenn es sie jeden Tag gibt, könnt ihr euch vorstellen, wie es Betroffenen mit tagtäglicher Diskriminierung geht. So frustrierend das Thema auch ist, Zamolo behält bei allem nötigen Ernst ihre gewohnte Leichtigkeit und führt humorvoll in die Materie ein. Sie nimmt uns mit in ihre Gedankenwelt, erzählt von sehr persönlichen Erfahrungen aus dem Bekanntenkreis und schweift mit Exkursen zu Pierce und Skinner ab. Manchmal beim Tauben füttern im Park, manchmal eingesperrt in einer zu engen Schublade. Unsere Protagonistin klärt uns auf, über toxische Komplimente, über Mikro-Aggressionen und über die wenigen Vor- und die vielen Nachteile von Schubladendenken. Wer jetzt befürchtet, dass es ein trockenes und belehrendes Sachbuch ist, kann ich beruhigen: Zamolo kreiert einen gelungenen Spagat zwischen seriöser Aufklärung und kurzweiliger Unterhaltung. Was nicht zuletzt an ihrem überaus sympathischen Hang zur Selbstironie liegen dürfte, die uns an so manchen Stellen herrlich zum schmunzeln bringt. Wenn sie zum Beispiel von der Diskrepanz zwischen der Erwartungshaltung Außenstehender und der tatsächlich gelebten Familienrealität – also ihrer Italienrealität – erzählt. Und dass es dabei weniger um geheime Pastarezepte und viel mehr um beleidigte Leberwürste geht.

Es sind Erfahrungen, die ich gemacht habe, Gedanken, die ich gedacht habe, verknüpft mit Geschichten, die mir erzählt wurden.“

Wie aus ihren Vorgängerwerken Rot ist doch schön und Elefant auf der Brust bereits bekannt, arbeitet Lucia Zamolo erneut mit verschiedenen handschriftlichen Typographien. Was in erster Linie als ein besonders ästhetisches Wiedererkennungsmerkmal erscheint, beinhaltet zusätzlich noch einen inhaltlichen Kniff. Denn die Möglichkeit bestimmte Wörter handschriftlich zu streichen, hinzuzufügen oder hervorzuheben, bringt oftmals die Essenz des Satzes erst richtig auf den Punkt.

„Wir lernen nur, wenn wir unsere Fehler eingestehen. Auch wenn’s unbequem ist. Pls remember: In so einer Schublade ist es das auch.“

Was wir auf den 124 Seiten allerdings nicht erleben, ist ein erhobener Zeigefinger. Ganz im Gegenteil, die Autorin weist in ihrem Fazit ein sehr hohes Bewusstsein über die eigenen Privilegien und ihr Weißsein auf. Das Buch ist keine Kampfschrift, viel mehr soll es ein Anstups sein, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen und zu sensibilisieren – besonders für die subtilen und alltäglichen Situationen. Lucia Zamolo will uns ermutigen, unsere eigenen Gedanken zu hinterfragen und erst zu reflektieren, bevor wir andere Menschen kategorisieren. Besonders Jugendlichen und Erwachsenen kann ich das Buch nur ans Herz legen. Es ist humorvoll, liebevoll gestaltet und überaus lehrreich. Und natürlich geht es auch um Spaghetti und Tomatensoße.

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