Literatur, nachgelesen

„An jedem Anfang steht ein Buch“ – Interview mit Literaturkritikerin, Jurymitglied und Moderatorin Dr. Bozena Badura

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Sie ist Expertin für deutschsprachige Debütromane: Dr. Bozena Badura berichtet auf „Das Debüt“ über die Erstwerke von Autor:innen. Seit 2016 richtet sie u.a. einen Bloggerpreis für das beste deutschsprachige Debüt des Jahres aus. Redakteurin Annika hat die Literaturkritikerin und Moderatorin zum Interview getroffen. 

A: Wann hast du dich dazu entschieden, als Literaturkritikerin, Jurymitglied und Moderatorin zu arbeiten?

B: Das war keine Entscheidung. Ich habe nie gedacht „Ab jetzt bin ich freie Literaturkritikerin und mache Sachen so, wie ich sie will“. Es hat sich so ergeben. Ich bin generell ein freier Geist und meine Interessen sind sehr breit gestreut, auch im Bereich der Literatur. Zudem hat man meiner Meinung nach einen besseren Überblick über das Ganze, wenn man Einblicke aus verschiedenen Perspektiven hat. Sobald man z.B. in eine Jury kommt, muss man die eigene Entscheidung objektiv begründen, man schaut auf die technische Seite, stellt sich Fragen der Gestaltung und der textlichen Konstruktion und lässt die eigenen Vorlieben in den Hintergrund treten.

Als Moderatorin habe ich widerum die Möglichkeit, die Personen, die diese Texte geschrieben haben, persönlich zu treffen. Meine Rolle ist in diesem Fall aber ganz anders. Man ist nicht nur für den Autor oder die Autorin da, sondern auch für den Veranstalter und das Publikum. Ich muss auf die Bedürfnisse des Publikums achten und mir überlegen, was die Besucher:innen an dem jeweiligen Buch interessieren würde. Zusätzlich ist es ein Privileg, die Autor:innen über das Buch auszufragen und sich darüber auszutauschen. 

A: Wenn du dich für eine der drei Aufgaben entscheiden müsstest, welche würdest du wählen?

B: Ich hoffe, ich werde nie vor die Wahl gestellt! Am spannendsten ist für mich die Moderation, weil sie alles beinhaltet. Bei der Gremienarbeit hingegen kann ich Personen unterstützen und mit Ministerialgeldern glücklich machen, das hat natürlich auch was (lacht).

A: Wie wird man eigentlich Jurymitglied?

B: Ich weiß nicht, wie das in den meisten Jurys ist, aber für alle Jurytätigkeiten, die ich bisher ausgeübt habe, wurde ich direkt angefragt. Ich wurde von jemandem empfohlen und weiß leider auch nichts darüber, dass man sich für eine solche Tätigkeit bewerben kann.

A: Welches Ereignis ist dir denn besonders in Erinnerung geblieben?

B: Eine der spannendsten Lesungen war mit Shida Bazyar und Kübra Gümüşay. Sie sind zwei sehr eloquente Frauen und sehr gute Gesprächspartner:innen. Die Herausforderung war es, die beiden miteinander zu verbinden und die Themen miteinander konstruktiv zu verschränken. Wir sind sehr tief in die Metaebene der Bücher eingetaucht. Das war super.

A: Siehst du einen Trend in der deutschsprachigen literarischen Debütszene?

B: Es gibt sogar mehrere Trends. Ein Trend ist zum Beispiel, dass keine ungeschriebenen Blätter mehr auf den Markt kommen. Es gibt bereits Verlage, die als Vorgabe haben, nur Autor:innen zu verlegen, die bereits einen gewissen Namen und eine bestimmte Reichweite haben. Das finde ich einerseits schade, aber andererseits auch nachvollziehbar. Der Markt ist hart umkämpft und die Verlage möchten sich in Sicherheit wiegen und Geld verdienen. Die Konsequenz dessen ist, dass die Verlage auf die Autor:innen zugehen. Nicht zuletzt gibt es dadurch auch immer mehr Schauspieler:innen, Blogger:innen oder Influencer:innen, die ein Buch veröffentlichen. Durch die große Reichweite, die diese Personen insbesondere auf Instagram besitzen, brauchen sie zum Beispiel nur eine Story zu ihrem Buch posten und wenn sich dann selbst nur 1% der Follower:innen das Buch kauft, kann der Absatz schon höher sein, als wenn die Person unbekannt ist.

A: Glaubst du, dass dadurch auch die Qualität der Literaturszene leidet?

B: Jein. Viele Verlage bieten ein Lektorat an und sorgen dafür, dass das Buch eine bestimmte Qualität hat. Die Gefahr ist dabei allerdings auch, dass das gewisse individuelle Etwas der Bücher dadurch verloren geht und alle Bücher irgendwie gleich sind.

A: Gibt es aktuell auch inhaltliche Trends?

B: Im vorletzten Jahr wurde der Vater in der Debütszene häufig thematisiert, im letzten Jahr spielten Frauenfiguren eine große Rolle.

A: Was ist das Schönste an deiner Tätigkeit?

B: Dazu zählt auf jeden Fall das Feedback des Publikums. Es ist toll zu sehen, wenn die Augen der Anwesenden zu leuchten beginnen oder man merkt, dass das Publikum beginnt, mitzudenken. 

A: Wie wichtig sind denn die sozialen Netzwerke für dich?

B: Ich würde sagen, dass die sozialen Netzwerke generell wichtig für Literatur sind. Sie ermöglichen einen Austausch, den es früher so nicht gab. Früher gab es z.B. nur einen Chatroom auf Literaturcafé.de, in dem man sich zu den verschiedenen Büchern oder Themen austauschen konnte. Ein großer Vorteil der sozialen Netzwerke ist es, vernetzt zu bleiben. Man erhält einen schnellen Überblick darüber, was auf den Markt kommt. Aber auch da muss man aufpassen, denn immer öfter ergreifen die Verlage einige Marketingmaßnahmen, sodass manche Neuerscheinungen auf vielen Kanälen gleichzeitig präsentiert werden, was den Eindruck erweckt, das es sich bei dem Buch um einen „Must-have-Titel“ handelt. 

A: Welche drei Eigenschaften sollte man mitbringen, um als Literaturkritikerin, Jurymitglied oder Moderatorin zu arbeiten?

B: Man sollte auf jeden Fall Liebe zur Literatur mitbringen. Denn das Lesen ist nicht das Ende, sondern erst der Beginn jeder Aufgabe. Auch fundierte Kenntnisse zumindest im Bereich der Erzähltheorie sind mit Nachdruck zu empfehlen, um das Werk von einer nüchternen Metaebene aus betrachten zu können, statt sich von dem Buch leiten zu lassen. Und dann sollte man natürlich auch Eigenschaften wie Neugierde, Geduld und Scharfblick mitbringen.

A: Was machst du denn, wenn du ein Buch hast, zu dem du keinen Zugang erhältst, wo dein Kopf dir sagt „Nein, das möchte ich nicht“. Ziehst du das dann durch?

B: Wenn ich an den Punkt komme, wo ich am liebsten aufhören möchte zu lesen, frage ich mich, woran das liegt. Ist die Handlung zu vorhersehbar? Gefällt mir die technische Umsetzung nicht? Spricht mich die Sprache nicht an? Durch diesen objektiveren Blick gelingt es mir, von dem Buch Abstand zu nehmen.

A: Vielen Dank für deine Einblicke, liebe Bozena!

B: Sehr gerne.

Hier erfahrt ihr mehr über Dr. Bozena Badura. 

Für weitere Informationen zum Literaturblog „Das Debüt“ sowie dem gleichnamigen Preis für das beste deutschsprachige Debüt des Jahres hier klicken.


Und hier geht’s zum letzten Interview auf unserem Blog (Interviewpartnerin: Kathrin Vieregg).

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