Eins steht wohl fest: Einfach waren die Lockdowns für niemanden. Doch am rätselhaftesten dürften sie wohl für die Kleinsten unter uns gewesen sein – als von heute auf morgen plötzlich alles anders war. Die Autorin LeUysen Pham führt uns zusammen mit einer kleinen schwarzen Katze durch die Welt der Pandemie: In beengende Zimmer, überfüllte Notaufnahmen oder auf gespenstisch leere Spielplätze. Einfühlsam zeigt sie uns den Lockdown aus Kinderaugen.

„Alle gingen nach drinnen, schlossen ihre Türen und warteten.“

Zu Beginn scheint alles normal zu sein, doch plötzlich passierte etwas Ungewöhnliches: Alle Leute, die sonst draußen waren, sind jetzt nur noch drinnen. Und das auf der ganzen Welt.

Von da aus führt uns eine Katze durch die verschiedenen Facetten des Lockdowns. In abwechselnden Gegenüberstellungen sehen wir auf je einer Doppelseite Szenarien von drinnen und anschließend von draußen. Mal ist die Seite wie ein Wimmelbild aufgebaut, mal sind es Collagen aus individuellen Schicksalen.

Besonders diese individuellen Schicksale haben es der amerikanisch-vietnamesischen Autorin angetan. Normalerweise kreiert sie ihre Geschichten aus fiktiven Traumwelten, doch dieses mal wollte sie bewusst die Welt so abbilden, wie sie ist. Dafür ließ sie sich von ihrem direkten Umfeld inspirieren und nahm die realen Geschichten mit in ihr Buch auf. Sowohl die rührenden Momente als auch die traurigen. Wie zum Beispiel ein älterer Mann, der sich mit einem Schild vor dem Krankenhausfenster für die Rettung seiner Frau bedankt. Aber eben auch die erschöpften Pflegekräfte, die es nicht mehr schafften einen Menschen zu retten.

„Draußen war es still. Nur der Wind wehte und die Vögel zwitscherten.“

Sprachlich erzählt das Buch in einem sehr ruhigen und kindgerechten Ton, was auf der Welt während des Lockdowns passiert. Trotz dieser Kürze fehlt es den Sätzen jedoch nicht an einem gewissen Hauch von Poesie, der auch die erwachsenen Leser:innen unterhält. Was mir aber besonders gefällt, ist, dass der Text nicht wertet. Er verrennt sich nicht in endlosen Erklärungen und bleibt beim Wesentlichen – beim Warten, beim Verzweifeln, beim Hoffen.

Und so ist es LeUysen Pham gelungen, ein facettenreiches Bild der Pandemie zu kreieren, das alle Gesichter rund um den Globus zeigt. Die liebevollen Collagen laden Groß und Klein zum Verweilen ein. Die richtige Erzählung findet schließlich nicht zwischen den Zeilen sondern in den einzelnen kleinen Bildern und Szenerien statt. Drinnen sehen wir Familien, die trauern. Menschen, die alleine sind. Paare, die zusammen meditieren. Und natürlich das alltägliche Chaos zwischen Homeoffice und Homeschooling. Draußen sehen wir leere Spielplätze, Geburtstagsgrüße aus vorbeifahrenden Autos und Gesichter hinter Masken. Doch auch eine Tierwelt, die sich wieder hinaus traut. Die Fenster sind mit hoffnungsvollen Regenbögen verziert und die Vorgärten von Schildern mit Genesungs-Parolen gesäumt sowie einem Black-Lives-Matter-Schild. All diese kleinen Momente können zusammen mit den Kindern erforscht und als Gesprächsanlass genutzt werden.

„Von außen betrachtet sind wir alle anders. Aber Drinnen sind wir alle gleich.“

Insgesamt liegt der Fokus des Buches vor allem auf der Solidarität der Menschen. So erhalten auch jene einen Auftritt, die während des Lockdowns keine Wahl hatten und arbeiten mussten. Um zu retten, zu beliefern oder zu ernähren.

Einzig das Ende ließ mich etwas irritiert zurück. Auf zwei ausklappbaren Seiten erscheint der langersehnte Frühling, in dem endlich alles gut wird und sich alle in den Armen liegen. Hier wurde es mir dann plötzlich etwas zu euphorisch und ehrlich gesagt auch zu kitschig. In Anbetracht dessen, was dann wirklich im letzten Frühling nach Erscheinungsdatum eintrat, leider auch schlichtweg falsch. (Erscheinungsdatum: 26.01.2021 im Thienemann Verlag) Nichtsdestotrotz hat sie damit recht. Denn die Hoffnung, dass bald alles überstanden ist, schwingt doch wohl bei uns allen im Herzen mit.

Mit Drinnen Draußen ist der vielfach ausgezeichneten Bestseller-Illustratorin Pham ein wunderbares Buch gelungen, das Eltern und Kinder darin unterstützt, über das große und schwierige Thema Corona zu sprechen. Aber auch eine authentische Momentaufnahme der vergangenen zwei Jahre.

LeUyen Pham
Drinnen draußen
Thienemann Verlag
ISBN: 978-3-522-45971-6
Preis: 15,00 Euro