Film, reingezogen

Corona – zu ungeeignet als Filmthema?

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Das Coronavirus ist nicht nur momentan fester Bestandteil der Gesellschaft es wird auch in Zukunft nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken sein. In der Filmwelt ist es allerdings noch nicht angekommen. Bis auf eine Ausnahme.

Dass Viren immer wieder zur tödlichen Bedrohung werden und sogar den Untergang der menschlichen Zivilisation verantworten können, beweisen bekannte Virus-Filme wie „Contagion“ mit Matt Damon und Gwyneth Paltrow oder „Cabin Fever“, in welchen die Protagonist:innen einer infektiösen Gefahr ausgesetzt sind. Wie beliebt solche gesundheitlichen Katastrophenszenarien bei Zuschauer:innen sind, belegen auch die preisgekrönten Serien „The Tribe“, „The Walking Dead“ und „The Rain“.

Man könnte daher vermuten, dass es schon längst den ein oder anderen Film oder die ein oder andere Serie geben sollte, die COVID-19 in ihre Handlung einbaut. Aber falsch gedacht: Im Gegensatz zu unzähligen Dokus über die Pandemie wird das Thema in fiktiven Filmprojekten so gut wie ausgeklammert. Restaurants sind geöffnet, mehrere Menschen feiern ausgelassen eine Party oder begrüßen sich herzlich mit einer Umarmung. Von Alltagsmasken fehlt jede Spur. Allein im aktuellen Reality-TV wird die momentane Krise indirekt deutlich, indem maximal drei Darsteller:innen eng zusammen in einem Bild zu sehen sind. 

Zu lange Projektzeit und zu hohe Sensibilität des Publikums

Wer einen Film fertigstellen möchte, braucht Geduld. Bis zu zwei Jahre kann es dauern, bis ein Projekt abgeschlossen ist. Nimmt man nun Corona als Thema, steht man automatisch vor der Frage, wie sich die Pandemie in dieser Zeit entwickelt. Man muss sich überlegen, wie man den Film aufzieht und ob die Inhalte für das Publikum immer noch realistisch sind. Trotz einer ausführlichen Recherche ist es jedoch auch für Wissenschaftler:innen fast unmöglich, den Verlauf des Virus genau vorherzusagen. Insbesondere unbekannte Mutationen stellen einen Risikofaktor dar.

Ein weiteres Argument gegen eine filmisch fiktive Inszenierung der Pandemie bildet die hohe Sensibilität der Gesellschaft für dieses Thema. Es ist klar, dass es wohl keinen Menschen auf der Welt gibt, der nicht mit COVID-19 konfrontiert worden ist – unabhängig davon, ob diese Person Verschwörungstheoretiker:in, Demonstrant:in, Politiker:in oder eben Durchschnittsbürger:in ist. Man darf dabei allerdings nicht über die Zahl der Todesopfer und die damit zusammenhängende Einstellung der Bevölkerung gegenüber einem fiktiven Corona-Film hinwegsehen. Viele Menschen haben in den letzten anderthalb Jahren einen geliebten Angehörigen an das Virus verloren. Der Schmerz ist frisch und die Begeisterung bezüglich eines möglichen Corona-Science-Fiction-Thrillers wahrscheinlich nicht die größte.

„Songbird“ befördert das Publikum in die Welt von COVID-23

Einen Film gibt es allerdings bereits, der über diese Einwände hinwegsieht. Noch Mitte März 2020, also vor dem ersten Höhepunkt des Virus in den meisten Ländern, kontaktierte der amerikanische Drehbuchautor Simon Boyes den Regisseur Adam Mason, da er eine Idee für die filmische Realisierung der COVID-19-Pandemie hatte: In „Songbird“ befinden wir uns im vierten Jahr der Pandemie, die inzwischen als COVID-23 bezeichnet wird. Los Angeles ist durch eine Mauer geteilt und strenge Regeln wie Ausgangssperren oder morgendliche Temperaturmessungen bestimmen das Leben der Bürger:innen. Während infizierte Menschen gegen ihren Willen aus ihren Häusern geholt und in Quarantänelager, sogenannte Q-Zones, gebracht werden, dürfen sich die wenigen, die immun gegen das Virus sind, relativ frei in der Stadt bewegen. Zu diesen gehört auch der Fahrradkurier Nico („Riverdale“-Star K. J. Apa), der eine virtuelle Beziehung mit seiner Freundin Sara (Sofia Carson) führt. Als sich Saras Oma mit dem Virus infiziert und in ein Lager gebracht wird, setzt Nico alles daran, seine Freundin vor diesem Schicksal zu bewahren.. 

Die Dreharbeiten fanden im Sommer desselben Jahres statt. Dadurch wurde das Projekt zum ersten Film, der während des amerikanischen Lockdowns gedreht wurde. Das hatte auch Konsequenzen für die Veröffentlichung. Die Macher mussten einen Weg finden, den Film trotz geschlossener Kinos unter die Leute zu bringen. Was hilft da besser, als sich die explodierenden Abonnementzahlen gewisser Streaming-Anbieter zunutze zu machen? 

Mehr medizinische Genauigkeit und weniger Science-Fiction

Eine große Problematik, die bei solchen Pandemie-Thrillern besteht, ist die Oberflächlichkeit der Stories. Diese fallen in der Regel sehr dürftig aus, da das Hauptaugenmerk auf der Produktion von tollen Bildern liegt. Ganz nach dem Motto: „Je gruseliger und abgespaceder, desto besser.“ Kein Wunder, dass viele Virus-Filme aus den USA stammen, denn dort kommt auch viel Science Fiction her. Mobile Fiebermessungen, gelbe Schutzanzüge mit Atemmasken und Iris-Scans zur Früherkennung der Viren sind nur einige Merkmale, mit denen die Filme das Interesse des:der Zuschauer:in wecken wollen. Aber kann man das wirklich so sehen? Lohnen sich die lange Drehzeit und die aufwendige Postproduktion, wenn man dafür auf eine authentische Story verzichten muss? Ein paar Filme versuchen zwar, einen einigermaßen hohen Grad an medizinischer Genauigkeit zu liefern, nicht selten übertreiben die Macher:innen aber und orientieren sich mehr an Gruselfilmen. Mit Angst und Ungewissheit lässt sich eben besser arbeiten als mit nur teilweise sichtbaren Symptomen wie Fieber oder Übelkeit. Den Höhepunkt (der medizinischen Unstimmigkeit) erreichen derartige Filme, in denen die Infizierten zu Zombies mutieren. Das hat nichts mehr mit gründlicher Recherche zu tun, sondern vielmehr mit einem gewollten Schreckensaufschrei beim Publikum. 

Letztlich lassen sich Virus-Filme wohl mit Corona vergleichen: Es wird sie immer geben, auch wenn sie nur in gewissen Momenten an starker Präsenz gewinnen. Manche Menschen freuen sich auf dieses kulturelle Material wie diejenigen, die im Lockdown und Home Office ganz klare Vorteile sehen. Ob weitere Produktionsfirmen dem Beispiel von Simon Boyes folgen und die Corona-Pandemie filmisch darstellen werden, bleibt abzuwarten. Sollte da doch noch was auf den Markt kommen, kann der:die Einzelne ja immer noch für sich selbst entscheiden, ob er:sie sich damit auseinandersetzen möchte. Als Ratgeber in Pandemien taugen solche Filme jedoch nicht. 

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