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Baden auf Japanisch: Mein Besuch im Onsen

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Bei einer Reise durch Japan darf eins nicht fehlen: ein Besuch im Onsen, dem heißen Bad der Japaner:innen. Aber dabei gibt es einige Gepflogenheiten zu beachten, denn ein Onsengang ist kein Badevergnügen, sondern eine traditionelle Praktik.

Jede:r saß schonmal in einem Whirlpool oder Jaccuzzi, wohlig warm und sprudelnd. Aber nicht jede:r kommt in den Genuss, in einem Onsen zu entspannen, die japanische und (meiner Meinung nach) viel coolere Version des heißen Bades. Wer einmal im Onsen saß, den:die enttäuschen alle Whirlpools. Das glaubt ihr mir nicht? Ich gebe mein Bestes, um euch das Stück japanische Kultur näher zu bringen.

Ein Onsenbad hilft gegen alles

Es begab sich, dass ich mich im März 2020 auf der japanischen Halbinsel Hokkaido befand, um dort mit meinen zwei Reisegefährt:innen eine Skitour zu machen. Wir kämpften uns einen ganzen Tag lang durch Tiefschnee im Hinterland und folgten unserem Guide auf die höchsten Gipfel und in die tiefsten Täler. Abends fielen wir glücklich und erschöpft ins Bett. 

Nach der körperlichen Betätigung beschlossen wir am nächsten Tag, uns etwas Gutes zu tun und unsere geschundenen Körper zu verwöhnen und so kamen wir zum Onsen. 

Onsen heißt übersetzt „warme Quelle“ und ist ein wichtiger Teil der japanischen Tradition und Kultur. In unserer Pension entdeckten wir einige Flyer, die uns die unterschiedlichen Bäder der Gegend anpriesen. Egal, wo man sich in Japan befindet, ein Onsen ist immer nahe. Laut japan.travel gibt es rund 2000 von ihnen.

Aber die Broschüren zeigten uns nicht nur, wo wir als nächstes ins warme Wasser hopsen konnten, sondern erläuterten uns auch die Tradition der Onsen. Sie sind nicht einfach nur Becken voll heißen Wassers, sondern Orte der Ruhe, der Entspannung, der Gesundheit. Sie werden gespeist von vulkanischen Quellen, von denen es in Japan aufgrund der hohen geothermalen Aktivitäten mehr als genug gibt. Das Wasser kommt also nicht aus Filteranlagen und ist mit Chlor versetzt, sondern es entspringt direkt unter der Erdoberfläche und beinhaltet viele wertvolle Mineralien. Entsprechend des vulkanischen Ursprungs ist das Wasser auch noch brühend heiß: bis zu 42 Grad Celsius. Die Hitze regt den Kreislauf an und die Mineralien können in die Haut eindringen und heilende Kräfte entfalten. Allgemein glaubt man, ein Onsenbad hilft gegen alle Gebrechen. 

Wie Gott uns schuf

Wir wollten uns also am Nachmittag zum Hotel Kanro no Mori aufmachen, um dort den öffentlichen Onsen zu nutzen. Neben öffentlichen gibt es auch private Onsen, die man buchen kann, sodass man nur mit der eigenen Gruppe im heißen Wasser sitzt. Diese sind natürlich sehr viel teurer als der Eintritt in ein öffentliches Bad. Es gibt aber trotzdem gute Gründe, sich eine Privatsession zu gönnen, wie ihr gleich erfahren werdet.

Vorher hatten wir noch Zeit zu relaxen. Da stellte sich uns die erste Frage: Wie halten es die Japaner mit dem Rasieren? In einem Onsen ist man splitterfasernackt. Badekleidung ist verboten, denn das Wasser ist besonders rein und sollte nicht mit künstlichen Textilien in Berührung kommen. Dafür gibt es eine Geschlechtertrennung: ein Badebereich für die Frauen, einer für die Männer – dazwischen gibt es nichts. Wenn man also eine gemischtgeschlechtliche Reisegruppe ist, aber unbedingt gern gemeinsam im Bad sitzen will, dann lohnt es sich, in ein privates Badeerlebnis zu investieren.

Hinzu kommt, dass Tattoos im Onsen traditionellerweise verpönt sind. Es kann passieren, dass man mit Körperverzierungen nicht in das Bad eingelassen wird. Diese Regelungen wurden in den letzten Jahren oft gelockert, um ausländischen Gästen das Badeerlebnis zu ermöglichen. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten: die Wellnesseinrichtung erlaubt generell den Eintritt mit Tattoo. Sie erlaubt den Eintritt mit Tattoo in ein privates Bad, was immerhin besser als gar nichts ist. Oder – die lustigste Methode – die Einrichtung verkauft hautfarbene Pflaster, mit denen man alle bemalten Stellen abkleben muss, bevor man eintritt. Auch verklemmte Europäer:innen entscheiden sich dann gerne mal für das private Bad – wir jedoch stellten uns der Herausforderung. 

Sicherheitshalber entfernten wir alle Körperhaare, die wir finden konnten, bevor wir schließlich aufbrachen. Dick eingepackt stapften wir durch den Schnee bis zum Hotel. Die Eingangshalle war prunkvoll. Es handelte sich um eine Unterkunft mit deutlich mehr Sternen als die unsere und ein klassisches japanisches Wellness-Hotel. Viele öffentliche Onsen gehören zu einer Hotelanlage. Es war sehr still in der Lobby und wir fühlten uns direkt beobachtet. An der Rezeption bezahlten wir den Eintritt zum Badebereich und erhielten dazu ein eigenes kleines Handtuch. Das nahmen wir zwar mit, aber ließen es an der Seite liegen, denn wir hatten ja unsere eigenen Handtücher mitgebracht, die nicht ganz so mickrig waren. Später sollten wir herausfinden, was es mit den Mini-Handtüchern auf sich hat. 

Nach dem Eingangsbereich trennten sich unsere Wege: zwei Mal Damen, einmal Herren. Das war uns allen auch angenehmer. Wir sind zwar wirklich gut befreundet, aber so gut dann doch wieder nicht. Wir gelangten in einen Vorraum, in dem es wie im Schwimmbad Schließfächer gab, nur war alles sehr viel stilvoller eingerichtet. Es gab eine Sitzecke mit gepolsterten Korbstühlen. Ein Wasserspender stand in der Ecke. Vor einer Reihe mit Spiegeln waren diverse kostenlose Pflegeprodukte, wie zum Beispiel Cremes, aufgereiht. Selbst unter Frauen war es ein befremdliches Gefühl, sich komplett zu entkleiden, die Klamotten in einen Korb zu legen und wegzuschließen und wie Gott uns schuf durch die Schiebetür in das Bad zu treten.

Ein Ort der Ruhe

Das erste, was uns auffiel, war, dass wir uns das gründliche Rasieren hätten sparen können. Zumindest japanische Frauen lassen anscheinend einfach alles fröhlich wachsen. Der spätere Bericht aus dem Männerbad klang ähnlich.

Außerdem schlug uns Stille und Wasserplätschern entgegen. Es war schwül. Der Boden war aus Stein, Becken und Wände waren ebenfalls mit Schieferplatten gekleidet. Eine große Fensterfront wies in den Wald mit schneebedeckten Bäumen. Diese Aussicht ist wesentlicher Teil der Onsenkultur. Oft findet man die Bäder mitten in der Natur, denn diese hat schließlich auch eine besinnliche Wirkung. Ein andermal saßen wir beispielsweise in einem Becken direkt über einer malerischen Schlucht, durch die ein Fluss plätscherte.

Bevor wir in das knietiefe Wasser glitten, duschten wir uns in einer der vielen kleinen Duschnischen ab, die an einer Wand aufgereiht waren. Anders als in Deutschland sind die Duschen nicht zum Stehen, sondern mit einem kleinen Hocker ausgestattet, auf den man sich setzen soll. Es standen uns kostenloses Shampoo, Duschbad und sogar Conditioner zur Verfügung. Das Abduschen ist strengstens erwünscht, bevor man das reine Quellwasser berührt. 

Nach der Dusche ließen wir uns dann ganz, ganz langsam ins heiße Wasser gleiten. Das Becken war sehr groß und an den Rändern gab es im Wasser steinerne Sitzbänke. Wir konnten uns entspannt setzen und leise plaudern. Lautes Plantschen ist ein absolutes No-Go, denn der Onsen ist ja ein Ort der Besinnung und Ruhe.

Der Onsen-Sommelier empfiehlt…

Länger als fünf Minuten hielten wir es im kochenden Wasser nicht aus. Wir verließen das Becken, um eine Pause einzulegen. Das ist nicht ungewöhnlich, wir sind keine Weicheier. In einer Broschüre stand von einem Onsen-Sommelier (ja, sowas gibt es wirklich) geschrieben, dass der ideale Onsengang aus drei Phasen bestehe: zuerst solle man fünf Minuten im Wasser verweilen, um sich an die Hitze zu gewöhnen. Anschließend folge eine längere Phase von acht Minuten und zum Abschluss noch einmal drei Minuten Badezeit. Daran versuchten wir uns zu halten, denn wir wussten es ja nicht besser. 

In den Pausen duschten wir uns wieder ab, was ebenfalls empfohlen ist. Nur nach dem letzten Bad muss man sich nicht waschen, denn so können die Mineralien aus dem Wasser auf der Haut verweilen und einziehen. 

Spätestens nach dem zweiten Bad spürten wir, wie uns die Hitze zusetzte. Als wir das Wasser nach acht Minuten wieder verlassen wollten, wurde uns schwindelig und wir mussten uns ein paar Sekunden am Geländer festhalten, um nicht umzukippen. Wir dachten, es wäre eine gute Idee sich mit dem eiskalten Wasser, das in einem kleinen Becken mit einer hölzernen Schöpfkelle zur Verfügung stand, einmal abzuschrecken. Da kam eine alte Dame auf uns zu und wies uns mit einem verkniffenen Lächeln darauf hin, dass dieses Wasser nicht für Onsengänger:innen, sondern für die Saunabesucher:innen vorgesehen war. Das blieb unser einziger Fauxpas.

Für das dritte Bad wechselten wir vom Hauptbecken in ein kleineres Außenbecken. Dies befand sich auf einer Art Terrasse und wieder konnten wir vom heißen Wasser direkt in den verschneiten Wald schauen. Hier gab es auch eine kleine plätschernde Quelle, die neues Wasser in das Becken ließ.

Draußen stießen wir schließlich auf das kleine Handtuch. Eine Frau saß am anderen Ende des Beckens und hatte das Handtuch plump auf dem Kopf liegen. Es war nass und wir erfuhren: wenn man ein kühles nasses Handtuch auf dem Kopf hat, wird einem nicht unerträglich heiß, wenn man im Bad sitzt. Es ist eine angenehme Abkühlung, was wir bei späteren Onsengängen selbst verifizierten.

Ein anstrengender Rückweg

Nach unseren drei erfolgreichen Bädern und keiner Abschlussdusche begaben wir uns durch die Schiebetür zurück in die Realität. Im Vorraum kleideten wir uns wieder an und wollten vor dem Rückweg noch einmal Gebrauch vom Wasserspender machen. Im Tank schwammen auch Zitronenscheiben und Gurken. Sehr erfrischend. Dachten wir. Der erste Schluck war ein purer Zuckerschock. Das Wasser war eher süße Apfellimonade. Wir erklärten uns dies damit, dass man vor und nach dem Onsengang gut hydriert sein sollte, um den Kreislauf in Gang zu halten, und eine extra Portion Zucker konnte dazu beitragen. Solche Süßgetränke fanden wir auch in anderen Anlagen wieder.

Eingemummelt machten wir uns auf den Rückweg, nachdem wir den Herrenbadbesucher in der Eingangshalle wieder getroffen hatten. Wir hatten kaum noch die Kraft und Muße uns bis zur Pension zurückzuschleppen. Ein Gang in den Onsen ist für untrainierte Laien wie ein Marathonlauf. Außerdem blieb uns das wohlig warme Gefühle lange erhalten und wir hatten mehr Lust uns in ein Bett zu kuscheln, als noch durch die Dunkelheit und den Schnee nach Hause zu laufen.

Im Hotelzimmer angekommen, mummelte ich mich auch sofort auf meine Matratze und schlief schneller ein, als ich Onsen-Sommelier sagen konnte.

Onsen-Kulinessen

Natürlich probierten wir nach diesem Erlebnis noch weitere Onsenbäder aus. Unter anderem fanden wir uns in einem richtigen Onsendorf – Yunomine Onsen – wieder, das in den Bergen liegt und für seine Thermalquellen berühmt ist . Jedes Haus dort hat seinen eigenen Onsen. Dort erhielten wir die Möglichkeit, den Onsen auch kulinarisch kennenzulernen: Die Unterkunft, in der wir übernachteten, servierte zum Frühstück das berühmt-berüchtigte Onsen-Porridge, welches mit Onsenwasser aufgekocht wird. Das soll gesund sein, wegen der ganzen Minerale. Ich habe es vorhin nicht erwähnt, aber die japanischen Thermalquellen haben einen schwefligen Geruch und entsprechend schmeckte das Porridge wie eine Stinkbombe aus Grundschulzeiten.

Nicht nur Porridge kochen die Japaner:innen gerne im Onsenwasser: in diversen Sushi-Trains stößt man auch auf das Onsen-Ei. Der schweflige Geschmack zieht durch die Schale in das Ei ein und entfaltet seinen Geschmack. Zwei Erlebnisse, auf die wir dann doch lieber verzichtet hätten.

Auf nach Japan

Ich hoffe, ich konnte euch den Onsen näher bringen und euch dafür begeistern. Es war wirklich ein außergewöhnlich tolles Erlebnis, obwohl ich absolut kein Wellness-Fan oder eine Saunagängerin bin. Wenn ihr nun voller Begeisterung auch mal in die japanische Badekultur eintauchen wollt, dann gibt es allerdings einen Haken: Einen wirklich echten Onsen findet man ausschließlich in Japan. Zwar werben einige Wellness-Hotels in Deutschland mit einem Onsen, aber dieser entspringt nicht vulkanischen Aktivitäten und enthält somit keine Mineralien. Außerdem gehört zu einem Onsengang nicht nur das heiße Wasser, sondern das Gesamterlebnis, welches man hier nicht finden wird.

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