Reise, rumgereist

Als Italienerin in Deutschland

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Wenn Menschen aus anderen Nationen über Deutschland sprechen, fällt es meist nicht sehr positiv aus. Italien hingegen gilt als wunderschönes Land mit gutem Wetter und entspannten Leuten. Amina kommt aus der Nähe von Rom und liebt ihre Heimat, aber verbringt das Online-Semester in Deutschland. Sie verrät uns, warum es ihr hier gefällt und was der ein oder andere Kulturschock für sie war.

Berge, Meer, eine mittelalterlich geprägte, kulturelle Studierendenstadt, ein Amphitheater und viele Events – so beschreibt Amina die Stadt Macerata in Mittelitalien, in der sie studiert. Sie lebt mit ihrer Familie in einem nahegelegen Dorf mitten in den Bergen, zwei Stunden von Rom entfernt. Durch ihr Studium „Sprachen und Kulturen für literarische Übersetzungen in Englisch und Deutsch“ entwickelt sie eine Leidenschaft für die deutsche Sprache und Kultur. Sie war in München, Stuttgart, Berlin und vielen Städten NRWs, doch im Ruhrgebiet ist sie hängengeblieben. Amina bewirbt sich ein zweites Mal für ein Erasmus-Programm an der Universität Duisburg-Essen.

Uni-Leben Deutschland vs. Italien

„Am Campus gab es Bier!“, lacht Amina. An einer italienischen Uni hätte es sowas nicht gegeben. Nicht mal in der Orientierungswoche. Am Anfang dachte sie, es sei nur ein Vorurteil, aber jetzt ist ihr klar: „Bier ist für Deutsche was Pasta für Italiener ist – kein Stereotyp.“ Es sei manchmal sogar billiger als Wasser. Auch als Amina dann im Seminar sitzt, erlebt sie etwas Befremdliches: „Nach einem Seminar wird auf den Tisch geklopft und nicht geklatscht“, demonstriert sie mit einem lauten Klopfen. Das gesamte Hochschulsystem läuft anders in Italien. Hat man dort einen Bachelorabschluss nach drei Jahren, bekommt man automatisch einen Doktortitel. Unseren sogenannten Master nennen sie Spezifikation. Einen Master in Italien macht man eher selten nach dieser Spezifikation in etwas sehr Speziellem.

Die Italienerin hat ihre Heimat vorläufig für das Ruhrgebiet verlassen. Bild: ©Amina El Sayed

Amina wohnt in einem Studierendenwohnheim am Essener Campus. Die Lage findet sie sehr schön, denn die meisten Unis in Italien haben keinen Campus, die Gebäude sind dort überall in der Stadt verteilt. „Man ist hier besser ins Studentenleben integriert.“ Denn Amina findet die Art und Weise, wie hier studiert wird, faszinierend: „Deutsche sind zwar strikter in allen Lebenslagen, aber dadurch können sie auch Studium und Spaß sehr gut vereinen.“

„Deutsche feiern komplett anders“

In Italien geht man in den Club und macht vorher „Happy Hour“. Das heißt, man trifft sich von 19 bis 21 Uhr in einer Bar, um einen Aperitif zu haben. Um 9 Uhr geht man dann nach Hause und macht sich fertig, zieht sich um. In den Club geht man um 1 Uhr und bleibt bis 6. Doch vorher isst man zusammen, geht ins Restaurant und trinkt dort Alkohol. „Alles findet ums Essen herum statt“, erzählt Amina belustigt. Sie kannte nicht das „klassische Vortrinken“ zu Hause wie es in Deutschland häufig gemacht wird, mit Bier Pong oder anderen Trinkspielen. Auch Hauspartys oder Pub Touren gefallen ihr. Das kenne sie nicht aus Italien. Doch eins liebt sie an der deutschen Partykultur am meisten: Mottopartys. „Deutsche sind sehr gut in Verkleidungen, Partys und Feiertagen. Italiener haben nicht so viel Fantasie“, schwärmt sie. Es gibt auch bei ihnen Halloween und Karneval, aber in Deutschland sei es so viel größer und kreativer.

Wetter, Essen und der Toilettengang

Italien ist zwar wärmer, dafür wissen die Deutschen jeden Sonnenstrahl zu schätzen. Amina war bei der ersten Corona-Welle im Frühling 2020 das erste Mal in Deutschland. Ihre Familie in Italien durfte nicht raus, hier war es erlaubt. „Es waren gerade mal 10 Grad. Eiskalt für Italiener, aber die Deutschen waren zu Scharen im Park. Alle haben das Wetter genossen.“

Auch das Essen in Deutschland gefällt ihr. Bei der Frage nach einer „Identität“ von deutschem Essen kann sie jedoch keine Antwort geben. Auf dem Weihnachtsmarkt hat sie Spätzle, Strudel und Fischbrötchen gegessen, in einem deutschen Restaurant Kartoffelsalat mit Kohl und Frikadelle. Das meiste davon finden wir hier jedoch nur zu besonderen Anlässen wie Weihnachten oder in bestimmten Bundesländern. Doch was überall gleich ist und für Deutschland bekannt: Bäckereien und Konditoreien. „Ich mag deutsches Brot sehr“, beteuert Amina. Gerade deshalb hat sie etwas verwundert: „Deutsche essen so viel Brot aus der Packung und kaum Frisches.“ Doch viel schlimmer sei dies bei italienischen Gerichten: Ravioli aus der Dose, die Carbonara Sauce in der Tüte. „Wie könnt ihr das tun? Man kann sowas nicht fertig abpacken“, sagt sie schockiert. Am liebsten hätte sie noch Rezepte angehängt, damit man zumindest weiß, dass Spaghetti Carbonara nicht mit Sahne gekocht wird.

Hat Amina bisher hauptsächlich positive Eindrücke erzählt, gibt es doch eine etwas ungewöhnliche Sache, die sie aus der Heimat vermisst: ein Bidet. Für alle, die sich nun fragen, ob sie es richtig verstanden haben: das niedrig angebrachte Sitzwaschbecken neben der Toilette. „Jeder Haushalt in Italien hat eins, es ist unmöglich keins zu finden“, sagt sie nachdrücklich. Man kann damit sich und vor allem seine Füße waschen, wenn man nach Hause kommt. Stammt der Begriff ursprünglich aus dem Französischen, daher die Aussprache [biːdeː], ist es jedoch auch dort in den Haushalten kaum mehr vertreten. Aber Amina ist sich sicher: „Once you’ve tried, you never go back.“ Egal wie klein das Bad ist, ein Bidet darf nicht fehlen.

Den Charme eines italienischen Dorfes tauscht Amina gegen das Industrie-Flair der Großstadt. Bild: ©Amina El Sayed
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